Thema des Monats: US-Richter und das deutsche Finanzamt Hand in Hand für Onlinepoker?
„Wenige Dinge werden in unserem Land so sträflich vernachlässigt wie das Pokern … Ich kenne Geistliche, gute Männer, freundlich im Herzen, liberal und vertrauenswürdig, die nicht wissen, was ein Flush ist. Da möchte man sich doch für seine eigene Spezies schämen“, schrieb vor etwa 150 Jahren Mark Twain, seines Zeichens Schriftsteller und begeisterter Pokerspieler. „Jetzt müssen wir uns wohl ein bisschen weniger schämen“, merkte James McManus, Kolumnist von „The New York Times“, in seinem Artikel „No More Bluffing“ vom 24. August an. Der Autor von „Positively Fifth Street“ und „Cowboys Full – A History of Poker“ freute sich wie viele andere Poker Aficionados über die Entscheidung von Jack B. Weinstein, Richter am Federal District Court in Brooklyn, der zufolge Poker als Geschicklichkeits- und nicht etwa als Glücksspiel zu betrachten ist.
Dem Veranstalter einer privaten Pokerrunde hatten bis zu zehn Jahren Gefängnis wegen der Ausrichtung von verbotenem Glücksspiel gedroht, zumal er fünf Prozent der Pokergewinne – Rake also – für sich in Anspruch genommen hatte. Noch ist kein endgültiges Urteil gefällt, ein erstes Statement von Richter Weinstein allerdings gibt es bereits: Poker, so erklärteer, sei kein „game of chance“, sondern ein „game of skill“. Weder Wortlaut noch bisherige Handhabung des Illegal Businesses Gambling Acts (IGBA, Gesetz gegen Geschäfte mit illegalem Glücksspiel) ließen „den Schluss zu, dass der Kongress habe es in der Absicht geschaffen habe, es gegen jede Art von Gambling anzuwenden … Auch trifft die Definition von Gambling auf Spiele wie etwa Poker, die im Wesentlichen Geschicklichkeitsspiele sind, nicht zu“. Erst im Dezember letzten Jahres hatte das Department of Justice ein für allemal festgestellt, dass Pokerangebote im Internet keine illegale Aktivitäten im Sinne des Wire Acts von 1962 sind. Schnuppern wir da Morgenluft in Sachen Onlinepoker?
„Einkommenssteuer – auch so ein Glücksspiel“ (Heute Nacht)
Und hierzulande? Dem Ex-Piloten und langjährigem Pokerspieler Eddy Scharf steht die Besteuerung seiner Gewinne ins Haus, genau wie Hunderten anderer, die mit ihrem Lieblingszeitvertreib erfolgreich waren und „ähnliche Steuernachforderungen wie Scharf“ (SPIEGEL ONLINE) erhalten hatten. Hier wird nun wirklich verkehrte Welt gespielt: Pokerbrain Scharf besteht auf Anwendung des aktuell geltenden Rechts, wonach Pokern ein reines Glücksspiel, seine Ausübung nur auf Kasinos beschränkt und Gewinne wie andere Glücksspielerlöse auch nicht zu versteuern sind. Das Finanzamt seinerseits zitiert unter Anderem Aussagen des zweifachen WSOP-Braceletgewinners (in Limit Omaha 2001 und 2003), die zumindest den Verdacht nahelegen, dass Pokern nicht überwiegend vom Glück dominiert wird.
Selbst wenn das Gericht, das bis Jahresende entscheiden soll, ob die Pokergewinne zu versteuern sind, dem Finanzamt Recht gibt – was ist dann mit der Abzugsfähigkeit von Reise- und Übernachtungskosten, weiteren Spesen und Turnier-Buy-ins? Mehr noch, denn wie Eddy Scharfs Anwalt in der ZDF-Sendung „Heute Nacht“ Anfang der Woche feststellte: „Wenn Poker als Geschicklichkeitsspiel eingestuft wird, dann fällt Poker aus dem Glücksspielmonopol heraus … und vor allem wird sich der ganze Onlinemarkt legalisieren dadurch, und das ist eigentlich ordnungspolitisch vom Staat nicht gewollt.“
Blick nach Norden
Wer weiß? In Schleswig-Holstein, dem Bundesland, das in Sachen Legalisierung von Onlinepoker, -sportwetten und -gaming Pionierarbeit geleistet hatte und wo dank des politischen Machtwechsels zurück ins Rudel der anderen Länder gerudert werden soll, haben sich schon die ersten Zweifel am Kurs der Regierungskoalition in den eigenen Reihen gemeldet. Einerseits soll das neue liberalisierte Glücksspielgesetz Schleswig-Holsteins gekippt werden, andererseits stellt es derzeit geltendes Recht dar – weswegen seit seinem Inkrafttreten im Mai bereits zwölf Lizenzen für Internetgaming (namentlich Sportwetten) vergeben wurden, fünf davon Ende letzter Woche an unter Anderem Admiral Sportwetten, Ladbrokes International PLC und 888 Germany. 44 weitere Lizenzanträge liegen zur Bearbeitung vor, und Innenminister Andreas Breitner versicherte in einer Presserklärung: „Die Anträge werden weiterhin unverzüglich bearbeitet, die Entscheidungen fallen selbstverständlich nach geltendem Recht und Gesetz.“ Das wird auch Zeit, denn schon sind die ersten Klagen wegen ungerechtfertigter Verzögerung bei der Bearbeitung von Lizenzanträgen eingereicht worden.
Sollte das Glücksspielgesetz nun annulliert werden und der Glücksspielstaatsvertrag der anderen Bundesländer auch in Schleswig-Holstein wirksam werden, muss das nördlichste Bundesland mit einer Flut von Schadenersatzforderungen von Seiten der um ihre Lizenzen geprellten Firmen rechnen. Wollen wir hoffen, dass die neue Landesregierung aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband bald wieder über „Klaar Kimming“ (für Landratten: das ist Friesisch für „klarer Horizont“) verfügt, und vielleicht doch einen anderen Kurs als das bundesdeutsche restriktive Glücksspielrecht wählt. Und was bei allen Pokergöttern soll man Eddy Scharf bloß wünschen? Glück oder so?
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